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Claude Hoh von der elsässischen Landwirtschaftskammer zeigt, worauf bei der Kronenanalyse besonders zu achten ist . Foto: M. Hauswirth

ZeitschriftenLesezeit 2 min.

Von kränkelnden Weisstannen und der Frage, wie es weitergeht

Die trockenen und heissen Sommer machen nicht nur der Fichte, sondern an vielen Standorten auch der Weisstanne zu schaffen. Im Elsass werden darum nicht nur Forstfachleute, sondern auch Privatwaldbesitzer darin geschult, die Gesundheit der Bäume einzuschätzen.

Mischa Hauswirth | Für einmal regnet es, und die Temperatur liegt knapp über zehn Grad. Doch die Weisstannenbestände in der Nähe des malerischen Dorfes Rimbach im elsässischen Vallée de Masevaux mitten in den Vogesen kennen das Wetter anders. Gerade der vergangene Sommer hat ihnen zugesetzt. Die Tannen weisen sichtbare Spuren einer Entwicklung auf, die für sie die Lebensbedingungen immer schwieriger machen: Ausgedehnte Trockenheitsperioden und hohe Sommertemperaturen lassen sie schwächeln. In den nächsten Jahrzehnten, so eine Modellrechnung, wird sich die Ausgangslage zuspitzen, gerade für diese Baumart, die besonders dann gut gedeiht, wenn die Böden feucht sind und die Luft etwas frisch ist.
Claude Hoh, Forstverantwortlicher bei der elsässischen Landwirtschaftskammer in Strassburg (F), zeigt in den Bestand, wo einige Bäume rote Wipfel aufweisen. Die Tanne serbelt nicht wie die Fichte einfach vor sich hin und verdorrt langsam, sondern wird zündrot und stirbt ab, wenn sie zu wenig Wasser oder zu heiss hat.
Hoh und sein Mitarbeiter Samuel Jehl sind in dieses waldreiche Gebiet gekommen, um den Privatwaldbesitzern die Archi-Baumansprache-Methode näherzubringen. Bei dieser optischen Kronenanalyse, die es auch für andere Baumarten gibt, geht es darum, mehr über den Gesundheitszustand der Bäume zu erfahren. «Wir möchten die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer darin schulen, nach bestimmten Kriterien zu prüfen, wie es ihren Tannen geht», sagt Hoh.
Schüttere Kronen, Nebentriebe, Misteln
Ohne Fernglas oder Feldstecher geht es nicht. Denn bei der Kronenanalyse müssen alle Details erkannt sein. Mithilfe von Merkmalen führt dieser Analyse-Schlüssel zu einer Bewertung. Hoh und Jehl erklären das Schritt-für-Schritt-Vorgehen: Nebentriebe oder abgestorbene Äste sind von Bedeutung, natürlich die Nadelfarbe und -dichte sowie der grundsätzliche Zustand von Trieben und Ästen. Auch die Lücken in der Krone oder Mistelbefall spielen eine Rolle. Mistelbefall kann eine Schwächung charakterisieren, besonders wenn es sonst kaum Mistelbefall an Bäumen in der 
Region gibt. Zu beachten gilt es auch die Zahl der Zapfen oder eben das Ausbleiben von Fruchtbildung. Das alles gibt Hinweise darauf, ob etwas mit dem Baum nicht mehr stimmt.
Keine direkten Schlüsse für Bestockung
Mithilfe des vom Centre National de la Propriété Forestière (CNPF) entwickelten Schlüssels (siehe folgende Seite) lässt sich herausfinden, ob eine Tanne als «gesund», «gestresst» oder «widerstandsfähig» 
taxiert werden kann. Oder aber ob bereits das Absterben begonnen hat.
Hoh und Jehl wissen, dass die Grenzen fliessend sein können und nur die genaue Ansprache von mehreren Bäumen im Bestand eine Entscheidungsbasis bietet. Deshalb ist es wichtig, den Ablauf strikt einzuhalten, den der Schlüssel vorgibt.
Beispielsweise muss der Baum respektive die Krone rundherum begutachtet werden, also 360 Grad, was in einem dichten Bestand gar nicht so einfach ist. Eine Alternative, zumindest für einen Augenschein von oben, kann eine Drohne sein.
Was die Waldbesitzerin oder der Waldbesitzer dann mit dem Resultat macht, steht auf einem anderen Blatt. Kann sein, dass es bedeutet, eine Ablösung des Bestandes einzuleiten und die Weisstanne nicht mehr als Hauptbaumart an diesem Standort zu fördern; kann aber auch sein, dass die Bestockung durch eine Erhöhung des Laubholzanteils verändert wird oder die Verjüngung eingeleitet wird. Natürlich können auch Ersatzpflanzungen mit Eichen oder anderen Arten zum Thema werden. Die Fichte jedenfalls ist in diesem Gebiet massiv unter Druck, wie die vielen borkenkäfergeschädigten Bäume an den Hügelflanken deutlich machen.
Wie es mit der Tanne in diesem Vogesental weitergehen wird, ist gemäss Hoh ungewiss. Die zu erwartende Erwärmung des Klimas mit ausgedehnten Hitze- und Trockenperioden bedeutet jedenfalls nichts Gutes. Diesbezüglich kämpft die Region Grand Est, zu der auch das Elsass gehört, genau mit den gleichen Problemen, wie sie auch anderswo in Mitteleuropa bekannt sind. Will heissen: Die Weisstanne gehört mit 11 Prozent Holzvolumen in Grand Est zu den wichtigsten Waldbaumarten. Dass ihr Anteil künftig sinkt, gilt als wahrscheinlich.
Wie in der Schweiz kann zudem auch in den Vogesen eine bestimmte Entwicklung beobachtet werden: Die Buche breitet sich immer mehr in höhere Regionen aus, erobert sich sozusagen neue Territorien. Im Tannenwald bei Rimbach ist sie im Unterholz bereits häufig anzutreffen und bildet schon grössere Bestände. Gut möglich, dass sie in den nächsten Jahrzehnten die Tanne hier verdrängt oder die heutige Tannen-Fichten-Dominanz durchbricht.
Natürlich fragen die Privatwaldbesitzerinnen und -besitzer auch nach der Konsequenz für ihre Flächen, wenn die Weiss-
tanne kränkelt oder gar abstirbt. Doch Hoh ist mit Pauschalratschlägen zurückhaltend. 
«Wir möchten eine Entscheidungshilfe in die Hand geben, ob die Tanne auf dem Standort als Baumart noch Zukunft hat», sagt er. Die waldbaulichen Folgen müssten 
für jedes Waldstück individuell angeschaut werden, so Hoh. 

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