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Die jüngsten politischen Entwicklungen in Europa stellen den ausgewogenen Ansatz für die verschiedenen Funktionen des Waldes, den Grundpfeiler der nachhaltigen Forstwirtschaft, gleich in mehreren Belangen infrage. Foto: unsplash

ZeitschriftenLesezeit 2 min.

EU beurteilt Wald vor allem nach seiner Funktion für die Umwelt

Die privaten Waldbesitzer in Europa (CEPF) sind besorgt über die Ausrichtung und Umsetzung des «European Green Deal» in Bezug auf den Forstsektor. Es besteht die Gefahr, dass ökologische Aspekte und Schutzgedanken die Oberhand über die Nutzung gewinnen.

Von Fanny-Pomme Langue* | Die Wälder, ihre Zukunft und ihre Aufgaben sind ein Thema, das aktuell in der Europäischen Union oft diskutiert wird. Innerhalb der Europäischen Union gibt es keine gemeinsame EU-Forstpolitik (im Gegensatz zur Agrarpolitik), und die Forstwirtschaft liegt streng genommen nicht in der Kompetenz der Europäischen Union. 

Eine zunehmende Anzahl von Entscheiden aus anderen Politikbereichen, in denen die EU und ihre Mitgliedstaaten gemeinsam zuständig sind, wirkt sich jedoch auf den Wald aus, zum Beispiel auf ländliche Entwicklung, Bioökonomie, Umwelt, aber auch nachhaltige Finanzen, erneuerbare Energien sowie Forschung und Innovation. 

Da die Wälder zahlreichen Erwartungen der Gesellschaft, der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden sollen, rücken sie immer mehr in den Fokus der europäischen Politik. Dies hat zur Folge, dass es immer mehr zum Teil auch verbindliche politische Massnahmen gibt, die sich auf die Wälder auswirken. Dieser Einfluss konkretisiert sich im Europäischen Grünen Deal (European Green Deal), der Ende 2019 von der Europäischen Kommission vorgelegt wurde. Eines der Hauptziele dieses Deals ist, dass Europa dank verschiedenen Massnahmen bis 2050 netto keine Treibhausgase mehr ausstösst. Mehrere dieser Massnahmen betreffen direkt den Forstsektor und führen zu umfassenden Überlegungen und Diskussionen zur Zukunft der Wälder, zu 
ihrer aktuellen und künftigen Rolle in 
unserer Gesellschaft.

Im Verlauf der letzten Jahre hat die Umsetzung des Grünen Deals gezeigt, 
dass die Leitlinien der Europäischen 
Kommission hauptsächlich die Rolle des Waldes in Bezug auf Umweltschutz und Klima berücksichtigen – insbesondere seine Rolle als «Kohlenstoffsenke» – auf Kosten der sozialen und ökonomischen Aspekte, die für eine ausgewogene Waldbewirtschaftung auch von wesentlicher Bedeutung sind.

Hier ein paar Beispiele:

• In der EU-Waldstrategie 2030 sind Umweltbelange stark vertreten.

• Die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 
will erreichen, dass mindestens 30 Prozent der Landfläche der Europäischen Union geschützt werden, davon 10 Prozent 
streng geschützt.

Diese beiden Strategien sind nicht rechtsverbindlich, sondern geben politische Leitlinien für die Gestaltung der Gesetze vor, mit denen sie umgesetzt werden sollen.

• Der Entwurf für die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur enthält Massnahmen zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme, damit sie bis 2050 in einen guten Zustand gebracht werden.

• Mit dem Vorschlag zur Revision der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien 
sollen die 2018 festgelegten Nachhaltigkeitskriterien für Bioenergie, deren Umsetzung gerade erst begonnen hat, weiter 
verschärft werden.

• Der Vorschlag für eine Verordnung zur Bekämpfung der Entwaldung und der Waldschädigung enthält eine Reihe 
verbindlicher Bestimmungen für den 
Verkauf von Holz und Holzwaren auf dem europäischen Markt.

Diese drei Gesetzgebungen wurden noch nicht verabschiedet, die Dossiers werden derzeit im Rat der Europäischen Union, der die EU-Mitgliedsstaaten vertritt, sowie im Europäischen Parlament diskutiert.

Keine Anerkennung für jahrelange Arbeit

In der Praxis dürften diese neuen Regeln direkte und konkrete Auswirkungen auf die Waldeigentümer und die Waldbewirtschaftung in der EU haben, was zu Recht grosse Bedenken auslöst. Diese Bedenken werden durch die aktuelle Debatte zum Zustand und zur Gesundheit des Waldes in Europa noch verstärkt, da sich die Debatte mehrheitlich auf negative Aspekte konzentriert; die Arbeit und die Investitionen, welche die Waldeigentümer in den letzten Jahrzehnten gemacht haben, werden nicht anerkannt. Das Konzept der nachhaltigen Waldnutzung, das vom gesamteuropäischen  Verbund FOREST EUROPE (hier gehört die Schweiz auch dazu) genehmigt wurde, wird infrage gestellt.

Vor diesem Hintergrund ist es die Aufgabe des Dachverbandes der Europäischen Waldbesitzer (Confédération Européenne des Propriétaires Forestiers CEPF), den europäischen Waldbesitzern eine Stimme zu verleihen. Die CEPF bringt Fachwissen und Kenntnisse aus der Praxis zu den politischen Entscheidungsträgern, vermittelt die erwähnten Erwartungen der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer und sorgt dafür, dass die positiven Ergebnisse der jahrzehntelangen Arbeit der Waldbesitzer nicht vergessen gehen.

Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass diese Arbeit dazu beigetragen hat, dass die Waldfläche der Europäischen Union im Zeitraum 1990 bis 2020 um mehr als 14 Millionen Hektar und um ungefähr 9 Milliarden Kubikmeter Holz zugenommen hat.

Die CEPF erinnert auch unermüdlich daran, dass die Bewirtschaftung eines Waldes komplex und kostspielig ist, dass die Ergebnisse der getätigten Investitionen nicht von heute auf morgen sichtbar sind, dass es eine Vielzahl von Lösungen für die nachhaltige Bewirtschaftung eines Waldes gibt (und nicht eine einzige perfekte Lösung für alle) und dass die Vielfalt der Wälder und ihrer Eigentümer ein Reichtum ist, auf den die Politik aufbauen sollte. Die Frage der Eigentumsrechte sowie deren Einhaltung ist ebenfalls wichtig, um die Beteiligung und die Motivation der Waldbesitzer zu gewährleisten, anstatt ihnen zahlreiche Vorschriften aufzuerlegen, die sie demotivieren und entmutigen könnten.

Dasselbe gilt für die Finanzierung der oben genannten politischen Leitlinien. Diese Frage steht im Zusammenhang mit der Bezahlung von Ökosystemleistungen. Mehrere Länder der Europäischen Union haben solche Zahlungsmechanismen entwickelt, und die Europäische Kommission arbeitet derzeit an der Erstellung von Leitlinien zu diesem Thema. 

Die CEPF ist der Ansicht, dass solche Zahlungen nur unter der Voraussetzung untersucht werden sollen, dass gewisse Bedingungen erfüllt werden, insbesondere müssen sie freiwillig sein, an die lokalen Besonderheiten und Merkmale der Wälder angepasst werden, und der Zugang zu den Finanzmitteln sollte ausreichend und langfristig verfügbar sein. 

Um ihre Arbeit so konkret wie möglich zu gestalten, stützt sich die CEPF so möglichst auf lokale Projekte, die ihre Vorschläge und Schlussfolgerungen untermauern und die Diskussionen bereichern. Die guten Praktiken und Erfahrungen 
bilden den Kern der Argumentation für 
die Standpunkte der Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer. Der europapoliti-
sche Kontext, in dem sich der Forstsektor heute bewegt, macht es dringend erforderlich, dass die Stimme der europäi-
schen Waldbesitzer geäussert, gehört und 
verstanden wird.

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